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Tangwälder zählen zu den artenreichsten marinen Lebensräumen unserer Erde und könnten eine Schlüsselrolle spielen im Kampf gegen die Klimakrise. Dennoch fristen sie im öffentlichen Bewusstsein ein Schattendasein.

Sie bedecken weltweit Küstenabschnitte aller gemäßigten Meere – von Chile bis Kanada, von Südaustralien bis Norwegen – und formen mit Längen von bis zu 45 Metern ein schattenspendendes Blätterdach, das nicht nur unzähligen Meeresorganismen Schutz und Lebensraum bietet, sondern auch die Grundlage für eines der produktivsten Ökosysteme der Erde bildet: Tangwälder!
Was aussieht wie ein Unterwasserdschungel, ist in Wahrheit ein biologisches Kraftwerk. Tangwälder, auch Kelpwälder genannt, gehören zu den produktivsten Ökosystemen der Erde – noch vor tropischen Regenwäldern oder Korallenriffen. Sie binden Kohlendioxid, liefern Sauerstoff, bieten Lebensraum für unzählige Arten und stabilisieren als natürliche Klimaschützer ganze Küstenregionen.
Doch obwohl Tangwälder an den Küsten nahezu aller Kontinente wachsen, fristen sie im öffentlichen Bewusstsein ein Schattendasein. Dabei könnten diese marinen Wälder im Kontext der Klimakrise eine weit größere Rolle spielen als bislang angenommen – sowohl als natürliche CO₂-Senken als auch als Grundlage für innovative Ansätze in der regenerativen Meeresnutzung.
Anders als Bäume benötigen Tangpflanzen keine Wurzeln – sie verankern sich mit sogenannten Haftorganen an Felsen oder anderen festen Strukturen. Ihre Energie beziehen sie ausschließlich aus Sonnenlicht und des im Wasser gelösten Kohlendioxids. Dabei betreiben sie Photosynthese in einem Tempo, das selbst tropische Pflanzen in den Schatten stellt: Manche Arten wachsen bis zu 50 Zentimeter pro Tag.
Dieses schnelle Wachstum macht Tangwälder zu hoch effektiven Kohlenstoffsenken. Studien zeigen, dass die grünen Riesen jährlich bis zu 200 Millionen Tonnen CO₂ binden könnten – das entspricht in etwa den Emissionen von 50 Millionen Autos. Ein Teil dieses Kohlenstoffs wird dabei langfristig gespeichert, wenn absterbende Pflanzen in die Tiefsee absinken oder im Sediment eingeschlossen werden. Dadurch kann das klimaschädliche Gas für lange Zeit konserviert werden
„Wenn wir über natürliche Kohlenstoffsenken sprechen, denken wir oft zuerst an Wälder oder Moore“, erklärt Dr. Karen Filbee-Dexter vom norwegischen Institut für Meeresforschung. „Aber marine Makroalgen wie Kelp sind enorm leistungsfähig – und viel zu lange übersehen worden.“
Darüber hinaus stabilisieren Tangwälder die Küstenökologie: Sie dämpfen die Energie von Wellen, bieten Rückzugsräume für Fischlarven, Seeotter, Seesterne und sogar Haie – und erhöhen durch ihre Produktivität die Biodiversität ganzer Küstenabschnitte.
Doch genau diese Biodiversität, so wild und unberührt sie auf den ersten Blick erscheinen mag, ist bedroht. In Regionen wie Westaustralien, Kalifornien oder Norwegen sind große Tangwälder in den letzten Jahren verschwunden – Durch Erwärmung, Verschmutzung und invasive Seeigelarten.

Während vielerorts der Verlust dieser Unterwasserwälder beklagt wird, wächst woanders die Hoffnung auf ihr Potenzial. Wissenschaftler:innen und Start-ups weltweit erforschen derzeit, wie sich Tangwälder gezielt wiederherstellen und sogar großflächig kultivieren lassen – als Waffe gegen den Klimawandel und Ressource für eine nachhaltige Zukunft.
Ein Vorreiter dieser Bewegung ist Australien. In Tasmanien beispielsweise arbeiten Forscher an der Wiederaufforstung von Kelpwäldern durch gezielte Zucht hitzeresistenter Tangarten. In Norwegen und Südkorea entstehen riesige Tangfarmen, in denen die Algen nicht nur CO₂ binden, sondern auch als Rohstoff für Biokunststoffe, Tierfutter, Kosmetika oder sogar als Dünger dienen sollen.
Besonders ambitioniert ist das Projekt „Ocean Rainforest“ auf den Färöer-Inseln: Hier werden kilometerlange Leinen mit Algensetzlingen bestückt, die frei im offenen Atlantik treiben. Die Vision: ein globales Netzwerk von Tangfarmen, das sowohl ökologisch als auch ökonomisch tragfähig ist – mit minimalem Flächenverbrauch und ohne den Verbrauch von Süßwasser.
Gleichzeitig zeigen Studien, dass auch die Wiederansiedlung natürlicher Tangwälder messbare Effekte hat. Eine 2023 veröffentlichte Untersuchung des Monterey Bay Aquarium Research Institute belegt, dass restaurierte Kelpwälder binnen weniger Jahre nicht nur große Mengen CO₂ speichern, sondern auch die lokale Artenvielfalt verdoppeln können.

Tangwälder allein werden den Klimawandel nicht aufhalten. Doch sie könnten als “Grüne Lunge des Meeres” eine Schlüsselrolle in der Zukunft unseres Planeten spielen. Wenn es uns gelingt, ihre Zerstörung zu stoppen und ihr Potenzial verantwortungsvoll zu nutzen, ist es nicht nur möglich CO₂ langfristig zu speichern, sondern auch ganze Künstensysteme zu stabilisieren und das Leben unter Wasser zu erhalten.
Voraussetzung dafür sind Investitionen, internationale Kooperationen und ein Umdenken in der Meerespolitik. Vielleicht, so spekulieren manche Forscher, wird der Begriff „grüne Infrastruktur“ in Zukunft nicht mehr nur Wälder, Dächer und Städte meinen – sondern auch schwimmende Algenfarmen und wiederbelebte Kelpwälder in den Weltmeeren.
Denn die Rettung des Klimas könnte dort beginnen, wo bislang kaum jemand hinsah: unter der Wasseroberfläche, in den schimmernden Schatten der Regenwälder der Ozeane.