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Auch in der Nord- und Ostsee sind Wale heimisch, sogar große Finnwale sind anzutreffen. Wo man sie sehen kann erfahrt ihr in diesem Artikel.
Es ist ein stiller Morgen auf Sylt. Der Horizont verschwimmt im Dunst, die Nordsee rollt in gleichmäßigen Wellen an den Strand. Plötzlich durchbricht ein kurzer, kehliger Laut die Luft – ein Prusten, ein Atemstoß. Nur Sekunden später taucht ein dunkler Rücken auf, glänzt in der aufgehenden Sonne und verschwindet wieder. Es war ein Schweinswal – der einzige heimische Wal Deutschlands.
Was viele nicht wissen: Wale sind nicht nur in fernen Ozeanen oder bei Bootstouren in Kanada oder Neuseeland zu sehen. Auch direkt vor Deutschlands Küsten, in der Nord- und seltener auch der Ostsee, schwimmen die faszinierenden Meeressäuger. Der bekannteste deutsche Vertreter ist der Gewöhnliche Schweinswal (Phocoena phocoena), ein etwa 1,80 Meter kleiner Zahnwal – oft nur schwer zu entdecken, aber da. Und er ist nicht allein: Immer wieder werden auch große Bartenwale gesichtet, darunter Minkwale, Buckelwale oder sogar Finnwale.
Dass Wale so nah an unsere Küsten kommen, hat vielfältige Gründe: die Fischdichte, die Wassertemperaturen, das sich wandelnde Ökosystem Nordsee. Und manchmal auch Zufall. Doch wer genau hinsieht (oder hinhört) kann sie entdecken.
Die Nordsee ist seit ihrer Entstehung vor etwa 10.000 Jahren Lebensraum für viele Meeressäuger. Einst tummelten sich hier massenhaft Schweinswale, Tümmler, ja sogar Orcas. Viele der früher heimischen Tiere sind heute verschwunden – durch Fischfang, Lärm oder Umweltverschmutzung. Doch in den letzten Jahren häufen sich Sichtungen von Großwalen in deutschen Gewässern.
Schweinswale sind die häufigsten: Wie viele genau in der Nordsee leben ist nicht klar, jedoch zeigen Studien, dass die Zahlen rückläufig sind. Im benachbarten Gewässer der Ostsee ist die Realität jedoch eindeutig: Nur noch wenige hundert Tiere leben in der zentralen Ostsee – Tendenz: fallend. Besonders gut lassen sich die heimlichen Giganten vom Festland aus bei windstiller See beobachten, vor allem an den Küsten von Sylt, Amrum, Föhr, aber auch von der Schleimündung bei Maasholm oder bei Laboe in der Kieler Förde.
Die Buckelwale, bekannt für ihre akrobatischen Sprünge und ihren Gesang, sind seltene Gäste. Doch 2023 wurden mehrere Exemplare in der Ostsee vor Dänemark und später sogar bei Lübeck gesichtet – eine kleine Sensation. Auch Minkwale und Finnwale sind vereinzelt dokumentiert worden, vor allem in tieferen Abschnitten der Nordsee.
Wale sind Botschafter eines intakten Meeres. Wo sie leben, funktioniert das Ökosystem – zumindest in Teilen. Ihre Anwesenheit vor Deutschlands Küsten ist ein Hoffnungsschimmer: dafür, dass Renaturierung, Lärmschutz und internationale Abkommen Wirkung zeigen können.
Der Schweinswal in der zentralen Ostsee wurde 2020 offiziell als „vom Aussterben bedroht“ eingestuft. Doch es gibt Hoffnung: Schutzgebiete wurden erweitert, Fangnetze mit sogenannten PAL-Geräten (Porpoise Alerting Devices) ausgestattet, die Wale durch akustische Signale warnen. Die Europäische Kommission drängt auf konkrete Schutzmaßnahmen – ein Anfang.
Zukunftsvisionen gehen weiter: Stillere Schifffahrt, strengere Fischereiregeln, vernetzte Meeresschutzgebiete. Auch das Interesse in der Bevölkerung wächst. Bildungsprogramme, Citizen-Science-Projekte und Walbeobachtungs-Apps wie „NaturaList“ ermöglichen es Bürgern, Sichtungen zu melden, die Wissenschaftler:innen als Datengrundlage verwenden können.
Walbeobachtungen finden in Deutschland bisher kaum touristisch statt – im Gegensatz zu Norwegen oder Island. Doch Projekte wie „Wale beobachten statt jagen“, eine Initiative des WDC (Whale and Dolphin Conservation), fördern gezielte Beobachtungsprogramme. Dabei ist es wichtig, Abstand zu halten, denn Störungen durch Boote oder Motorenlärm gehören zu den größten Gefahren für die sensiblen Tiere.
Auch akustische Forschungen liefern Erkenntnisse: Unterwasserhydrophone in der Nordsee erfassen Walgesänge, Klicklaute und Kommunikation. Daraus entstehen Karten der Bewegungsmuster, etwa im Sylter Außenriff oder dem Fehmarnbelt. Diese Daten sind Grundlage für neue Schutzgebiete und Maßnahmen gegen Unterwasserlärm, z. B. durch Schifffahrt oder Offshore-Windkraft.
Die Wale sind da – nicht in weiter Ferne, sondern direkt vor unserer Tür. Noch sind die Sichtungen selten, doch jede einzelne macht Hoffnung. Hoffnung auf eine Zukunft, in der solche Begegnungen nicht mehr die Ausnahme sind. Die Frage ist also nicht mehr, ob sie da sind – sondern ob wir lernen hinzusehen.